Ein verärgertes kleines Mädchen. Auch viele Eltern in Rheinland-Pfalz sind verärgert, weil sie sich mit Notbetreuung herumschlagen müssen. (Foto: IMAGO, imagebroker)

Fachkräfte an ihren Grenzen

Kita-Notstand in RLP: Für vier von fünf Kindern fehlt Personal

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Katharina Forstmair
Gina La Mela

Mehr als 80 Prozent der unter Dreijährigen werden in Kitas in Rheinland-Pfalz von zu wenig Personal betreut. Die Qualität der frühkindlichen Bildung leidet, Fachkräfte geraten an ihre Grenzen. 

Für viele Kinder fehlen Betreuerinnen und Betreuer

Wenn Eltern ihr Kind in einer Kita unterbringen, wollen sie, dass es dort gut und altersgerecht umsorgt ist. In Rheinland-Pfalz kann das für mehr als 80 Prozent der Kinder unter drei Jahren nicht garantiert werden.

Das zeigen Daten der Bertelsmann Stiftung, die das SWR Data Lab für Rheinland-Pfalz genauer ausgewertet hat. Der Personalschlüssel in Krippen entspricht in 19 Landkreisen und elf kreisfreien Städten nicht der wissenschaftlichen Empfehlung von 1 zu 3, also maximal drei Kindern pro Betreuungskraft. Die Qualität der Kitas ist dadurch gefährdet.

Eine Ursache des Problems: Viele Eltern möchten einen Platz für ihr Kind, aber in den Einrichtungen fehlt das nötige Personal. Seit 2013 besteht der Rechtsanspruch auf einen Platz für jedes Kind, das älter als ein Jahr ist. Für Kinder ab drei Jahren gilt dieser Rechtsanspruch schon seit 1996.

Kita-Qualität leidet durch Personalmangel

Professor Armin Schneider arbeitet am Institut für Bildung, Erziehung und Betreuung in der Kindheit | Rheinland-Pfalz an der Hochschule Koblenz. Er sagt: "Natürlich kann man sagen: Wir nehmen mehr Kinder in die Gruppen und schaffen so mehr Kita-Plätze. Aber das geht dann auf die Kosten der Qualität und die Kinder sind tatsächlich schlechter betreut."

Auffällig ist: Im benachbarten Baden-Württemberg ist der Personalschlüssel deutlich besser. Jedes Bundesland hat dazu eine eigene Regelung - das sollte nicht sein, findet Armin Schneider. Er wünscht sich einen einheitlichen Fachkraft-Kind-Schlüssel für alle Bundesländer.

Eine Frage der Prioritäten

Die Kindertagesbetreuung ist Aufgabe der Kommunen. Die Daten der Bertelsmann Stiftung zeigen, dass es nicht nur Unterschiede zwischen den Bundesländern, sondern auch zwischen den Regionen innerhalb eines Bundeslandes gibt.

So ist beispielsweise der Personalschlüssel für Krippengruppen (0 bis 3 Jahre) im Donnersbergkreis mit 1 zu 4,8 (Median) der schlechteste in Rheinland-Pfalz, während er im Westerwaldkreis mit 1 zu 2,8 (Median) sogar besser als die wissenschaftliche Empfehlung ist.

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Die regionalen Unterschiede können verschiedene Gründe haben. Eine Rolle spielen die finanziellen Mittel, die zur Verfügung stehen. "Es gibt Kommunen, die können sich mehr leisten, und es gibt Kommunen, die können sich weniger leisten. Der Rechtsanspruch ist überall gleich, aber genau das ist die Schwierigkeit. Der Bundesgesetzgeber sagt: So müsst ihr das machen. Die Kommune muss dann sehen, woher sie das Geld nimmt", sagt Wissenschaftler Armin Schneider.

Der Bundesgesetzgeber sagt: So müsst ihr das machen. Die Kommune muss dann sehen, woher sie das Geld nimmt.

Im vergangenen Jahr trat das Kita-Qualitätsgesetz als Fortführung des 2019 verabschiedeten "Gute-Kita"-Gesetz in Kraft. Damit spricht der Bund den Ländern in den Jahren 2023 und 2024 eine Summe von vier Milliarden Euro zu. Das Ziel ist, die Qualität in den Kitas zu verbessern und insgesamt mehr Plätze zu schaffen. Die Länder dürfen dabei selbst entscheiden, welche Maßnahmen sie ergreifen.

Rheinland-Pfalz zahlt mit einem Teil der Gelder Kita-Beiträge. Deshalb bekommen alle Eltern für Kinder ab dem zweiten Lebensjahr einen kostenlosen Kita-Platz. Die Beitragsfreiheit ab zwei Jahren gilt bereits seit 2010 für Kindergärten, seit 2020 müssen auch für Krippen keine Beiträge mehr gezahlt werden. Grundsätzlich eine gute Maßnahme, findet Schneider. Das Problem mit dem Personalmangel werde dadurch aber nicht gelöst. Welche Maßnahmen die Länder und Kommunen konkret ergreifen, sei eine Frage der Prioritäten.

Ziel für 2024: Fachkräfte gewinnen

Wie extrem die Auswirkungen des Personalmangels für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kitas sein können, zeigt eine Recherche zum Kita-Notstand von Correctiv.Lokal, die vergangenen November erschienen ist. Darin wird eine Erzieherin aus Rheinland-Pfalz zitiert: "Nachdem ich mehrmals aus Personalmangel-Gründen meinen Urlaub verschoben habe, bin ich bei der Arbeit zusammengebrochen und musste ins Krankenhaus".

Das Ziel von Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) für 2024: weiterhin Fachkräfte gewinnen und halten. Seit Februar 2023 läuft die Kampagne "Werde Erzieherin oder Erzieher" und im Februar 2024 wurde die Kita-Fachkräftevereinbarung überarbeitet. Damit soll die Anerkennung ausländischer Abschlüsse einfacher gehen.

Kürzere Betreuungszeiten gegen Personalmangel 

Das Bild, das die Daten der Bertelsmann Stiftung zeichnen, ist keine Momentaufnahme, sondern das Ergebnis politischer Entscheidungen der letzten Jahre. Professor Armin Schneider sieht nur eine Lösung, mit der man den Fachkräftemangel schnell bekämpfen könne: "Wir müssen weniger Betreuungszeiten anbieten und insgesamt reduzieren. Das halte ich für wesentlich besser als jetzt in die Gruppen noch mehr Kinder reinzuschicken im Hinblick auf die Qualität der Betreuung."  

Kürzere Betreuungszeiten könnten die Situation für arbeitende Eltern allerdings weiter erschweren. Mit einer Öffnungsdauer von neun Stunden ist Rheinland-Pfalz ohnehin schon unter den Bundesländern mit kürzeren Öffnungszeiten.

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