Rangliste 2024 von Reporter ohne Grenzen

Zwischen Krieg und Medienfeindlichkeit: Wie frei ist die Presse?

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Giordana Marsilio
Giordana Marsilio

Am 3. Mai ist Internationaler Tag der Pressefreiheit. Ein Bericht von Reporter ohne Grenzen zeigt, dass sich die Lage der Medien weltweit deutlich verschlechtert hat.

Ein Fotoreporter mit der Veste "Press" fotografiert bombardierte Gebäude
Weltweit riskieren täglich Reporterinnen und Reporter ihr Leben, um eine unabhägige Berichterstattung zu gewährleisten.

Die Pflicht zur Wahrheit

„Jeder freie Mensch, jeder freie Journalist muss bereit sein, die Wahrheit zu erkennen, wo immer sie sein mag“, sagte Oriana Fallaci. Sie ist eine der ersten weiblichen Kriegsreporterinnen, die aus dem Vietnamkrieg und dem Zweiten Golfkrieg berichtete. Auch wenn Journalist*innen die Wahrheit erkennen, der Wahrheit verpflichtet sind: Oft werden sie mundtot gemacht, bedroht, juristisch eingeschüchtert, festgenommen.

Reporter ohne Grenzen, der deutsche Ableger der internationalen NGO „Reporters sans frontières", unterstützt psychologisch, medizinisch, finanziell und juristisch verfolgte Journalist*innen. „Wir möchten ihnen so helfen, dass sie ihre journalistische Tätigkeit weiterführen oder wieder aufnehmen können“, heißt es von Reporter ohne Grenzen auf Anfrage von SWR Kultur.

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Pressefreiheit ist keine Selbstverständlichkeit

Jährlich veröffentlicht Reporter ohne Grenzen am 3. Mai, dem Internationalen Tag der Pressefreiheit, einen Report zur Lage der Pressefreiheit in der Welt. Diese hat sich im weltweiten Vergleich deutlich verschlechtert: Für die Rangliste der Pressefreiheit 2024 von Reporter ohne Grenzen (RSF) haben sie Daten aus dem Jahr 2023 erhoben.

In manchen Ländern sei unabhängiger Journalismus praktisch unmöglich. Aber auch wir in Deutschland müssten uns bewusst machen, dass „unsere Grundrechte wie die Pressefreiheit keine Selbstverständlichkeit sind, sondern immer wieder verteidigt werden müssen“, betont Reporter ohne Grenzen.

Weltkarte der Pressefreiheit 2024
Die Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen vergleicht die Situation Medienschaffender in 180 Staaten und Territorien.

Deutschland gehört zu den Top 10

Deutschland ist dieses Jahr von Platz 21 auf 10 gestiegen. Auf den ersten Blick ein positives Ergebnis, jedoch müsse man auch mehrere Aspekte in Betracht ziehen, so der Bericht. Im Vergleich zum Vorjahr seien die physischen Übergriffe auf Medienschaffende gesunken: RSF verifizierte in Deutschland für das Jahr 2023 insgesamt 41 Übergriffe auf Journalist*innen und Reporter*innen.

Im Vorjahr lag die Zahl noch bei 103. Wie die aktuelle Analyse der Situation in Deutschland zeigt, fanden 18 dieser 41 Übergriffe während Kundgebungen von Verschwörungstheoretikern oder extremen Rechten statt. Aber dieser Eindruck solle nicht täuschen, da es auch eine Dunkelziffer gebe.

Es gebe auch in Deutschland noch Verbesserungsbedarf was den Schutz der Journalist*innen angeht, meint Reporter ohne Grenzen. Zum Beispiel, indem die Polizei gut geschult und über die Rechte von Medien informiert sei, um „diese durchzusetzen, davon können auch Reporter*innen profitieren“.

Verbrechen an Medienschaffenden öffentlich machen

Während des Gaza-Kriegs sind in den letzten sieben Monaten mehr als 100 Journalist*innen getötet worden, 22 davon während sie ihren Job ausübten, berichtet RSF. Die Arbeit von Journalist*innen wird in Kriegsgebieten enorm erschwert, wodurch eine nüchterne und objektive Berichterstattung in diesen Regionen bedroht ist. 

Sehr wichtig sei für Journalist*innen, die unter erschwerten Bedingungen arbeiten, die internationale Öffentlichkeit, erklärt Reporter ohne Grenzen: „Verbrechen an Medienschaffenden öffentlich zu brandmarken und die Täter beim Namen zu nennen, kann die Verantwortlichen unter Druck setzen.“

Außerdem könne internationale Solidarität Kraft spenden: „Das hören wir immer wieder von Medienschaffenden, die inhaftiert waren und nach ihrer Freilassung berichten, wie ihnen die Unterstützung auch mental geholfen hat.“

Das Superwahljahr könnte die Bedingungen für die Presse verschlechtern

Außerdem stellt der Bericht fest, dass sich die Bedingungen für Medienschaffende im Umfeld von Wahlen deutlich verschlechtert hätten.

Das erregt Besorgnis, vor allem in Hinblick auf 2024, ein „Superwahljahr“: Es wird in den USA, Indien, in der EU – sowie in den Bundesländern Sachsen, Thüringen und Brandenburg – abgestimmt.

„Gerade mit Blick auf die Europawahl und die Landtagswahlen im Herbst“, so Reporter ohne Grenzen „rufen wir dazu auf, den Journalismus und die Pressefreiheit zu schützen.“

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