Ein 59-Jähriger aus Nusplingen hat vorgegeben, an den Rollstuhl gebunden zu sein und sich dadurch vom Landratsamt Calw Sozialleistungen erschlichen. Nun wurde er zu einer Freiheitsstrafe von über fünf Jahren verurteilt. (Foto: SWR, Theresa Krampfl)

Mehr als fünf Jahre Freiheitsstrafe

Hunderttausende Euro erschlichen: Angeblicher Rollstuhlfahrer muss ins Gefängnis

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Theresa Krampfl
Theresa Krampfl (Foto: SWR, Patricia Neligan)

Er hat vorgegeben, einen Rollstuhl zu benutzen und damit Sozialleistungen vom Landratsamt Calw erschlichen. Das Landgericht Tübingen verhängte deshalb eine Freiheitsstrafe.

Einmal drei Jahre, einmal zwei Jahre und drei Monate Freiheitsstrafe - so lautet das am Dienstag verkündete Urteil des Landgerichts Tübingen für einen 59-Jährigen aus Nusplingen (Zollernalbkreis). Die Begründung: Der Angeklagte habe das Landratsamt Calw belogen, indem er angegeben habe, im Alltag auf den Rollstuhl angewiesen zu sein und deshalb Sozialleistungen zu benötigen. Mehr als 230.000 Euro habe er so vom Landratsamt erschlichen.

Seit Februar verhandelte das Landgericht Tübingen in acht Terminen wegen Bandenbetrugs. Es wurden viele Zeuginnen und Zeugen gehört, darunter Pflegerinnen und Pfleger des Angeklagten sowie Beschäftigte des Landratsamts.

Bandenmäßiger Betrug: Ehepaar aus Nagold mit einbezogen

Die zwei Strafen des Landgerichts Tübingen ergeben sich daraus, dass der Angeklagte einmal wegen Betrugs bestraft wird und einmal wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs. Er bezog nämlich zwei Assistenzkräfte - ein Ehepaar aus Nagold - in seine Pläne ein. Der 59-Jährige ließ sich von ihnen Rechnungen schreiben, etwa für Hilfe beim Putzen oder die Hilfe für seinen Sohn. Diese Rechnungen bezahlte er von den Sozialleistungen und ließ sich von den beiden einen Großteils des Betrags auf sein Privatkonto zurück überweisen.

Die beiden Mitangeklagten erhielten jeweils Geldstrafen von 180 Tagessätzen, bei der Frau in Höhe von 15 Euro, beim Mann von 40 Euro. Damit gelten beide als vorbestraft.

Systemfehler bei Landratsamt: keine Kontrolle der Angaben

Der Richter erläuterte, es sei ein Fehler im System, dass das Landratsamt die Angaben des Angeklagten zu seinem Gesundheitszustand nie prüfte. Die Ausgabe der Sozialleistungen basierte auf Vertrauen. So fand über zwei Jahre lang niemand heraus, dass der Angeklagte selbst laufen und eigenständig leben konnte.

Nachdem irgendwann zwei Pflegekräfte gemerkt hatten, dass etwas faul ist, meldeten sie sich bei den Behörden, so der Staatsanwalt. Daraufhin erhob die Staatsanwaltschaft Anklage.

Mittlerweile Bein amputiert

Heute ist der 59-Jährige allerdings wirklich auf einen Rollstuhl angewiesen. Aufgrund einer Durchblutungsstörung wurde ihm im August 2022 ein Bein abgenommen. Der Angeklagte kann beim Landgericht Tübingen gemeinsam mit seinem Verteidiger innerhalb von einer Woche einen Antrag auf Revision stellen.

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